Konzertkritik Schorndorfer Gitarrentage
Ein Denkwürdiges Eröffnungskonzert (Mai 2019)
Zum Start der 23. Schorndorfer Gitarrentage am vergangenen Mittwoch gaben sich der berühmte Lehrer, Lokalmatador und Mitbegründer Gerhard Graf-Martinez mit Flamenco und der Wiener Diknu Schneeberger mit Gypsy-Jazz jeweils im Trio die Ehre. Der gut gefüllte Saal der Manufaktur bot leider nach etwa einer Stunde zumal auf dem Balkon kaum noch Luft zum Atmen, etwas gemildert durch kräftiges Lüften in der Pause: Ein Problem, das die Stadt Schorndorf sicherlich bald beheben (lassen) wird :o)
Im ersten Teil kamen die zahlreich erschienenen Freunde der Falmenco-Gitarre auf ihre Kosten, dramaturgisch geschickt und abwechslungsreich gestaltet durch ein Besetzungs-Crescendo. Es begann meisterhaft mit Gitarre solo, dann kam der kraftvolle Cajon-Virtuose José Fortes dazu, dann der gefühlvolle Andy Kemmer am E-Bass und auch später noch wechselte immer wieder die Besetzung. Weniger abwechslungsreich sind freilich beim Flamenco - für „normale“ Ohren - die Akkordfolgen der Andalusischen Four-Chord-Sequenz: A-moll, G-dur, F-dur, E-dur und der alternierende Zwitter-Akkord E/F, die diatonisch absteigende Basslinie, die feurigen Rasgueados sämtlicher Nägel der Anschlagshand über alle verfügbaren Saiten des Instruments, die mächtigen, mit geradezu brutal hartem Anschlag nah am Steg gespielten modalen Umspielungen der arabisch anmutendem Moll-Skalen: Flamenco ist in erster Linie ein Tanz und ein Lebensgefühl, wie Graf-Martinez betont und erscheint auch bei ihm extrovertiert, laut und kraftvoll - spanisch mit maurischen und wohl auch Zigeuner-Einflüssen, insofern auch nur bedingt kompatibel mit einer Musik wie dem brasilianischen Bossa-Nova, einer im Ursprung "weißen" Kammermusik „am Rande des Verstummens“. Klanglich eher plausibel ist da die Nähe zum Tango, in Martinez’ Programm vertreten durch eine Bandoneon-Komposition Astor Piazollas.
Der zweite Teil gehörte dann dem preisgekrönten und studierten 29jährigen Jazz-Gitarristen Diknu Schneeberger aus Österreich, seinem Akkord-begleitenden einstigen Lehrer Martin Spitzer und seinem Vater Joschi am Kontrabass - in Familienprojekt also. Aber was für eines! Diese Spielfreude, das blind funktionierende Timing, die stupend lockere und immer nur der Musik dienende Virtuosität, die variantenreiche und dynamisch teilweise extreme Tongebung, wenn aus einer knisternden Stille heraus das Tonfeuerwerk erblüht… eine unbeschreibliche Wonne, zum Niederknien.
Ob an den Beginn solcher Musik-Hochämter mehrere Reden mit viel Gendersternchen und Dank ans Personal gehalten werden sollten, könnte man überdenken, ebenso wie die Kombination der Doppel-Konzerte, was aber den ehrlichen Dank an alle Beteiligten nicht schmälern sollte. Eine phantastische Sache, diese Gitarrentage!